Pacific Crest Trail 2: Kennedy Meadows bis Kearsarge Pass
Du planst selbst eine Wanderung auf dem PCT oder JMT?
Les dir meinen Beitrag zur Planung durch: Dein Survival-Kit für den John Muir Trail
Alle Berichte über meine Wanderung auf dem PCT / JMT findest du hier: Übersicht PCT / JMT
Der zweite Teil meiner Wanderung auf dem PCT führt mich vom Mini Dorf Kennedy Meadows bis in die High Sierra mit dem höchsten Berg der südlichen USA: Mount Whitney.
Oft liest man, die Sierra Nevada mit ihrem Wasserreichtum beginnt ab Kennedy Meadows. Und tatsächlich lässt man hier die Wüste mit ihren Kakteen und Salamandern hinter sich. Doch bis man wirklich das Hochgebirge erreicht und sich keine Gedanken um die nächste Quelle mehr machen muss, ist man durchaus noch ein paar Tage unterwegs. Wasserlose Etappen von über 15km sind keine Seltenheit in den ersten Tagen nach KM, die Berge sind flach und die Täler sanft und breit.
Zumeist wandert man im lichten Bergwald mit nur kurzen Ausblicken auf bewaldete Hügel. Erst kurz vor Mount Whitney eröffnen sich Ausblicke auf baumfreie Gipfel, es wird felsiger und kälter. Stets sind wir bei Nordblicken auf der Suche nach dem Berg, der alle anderen überragen müsste – doch von Süden ist der Mt Whitney äußerst unscheinbar. Erst nachdem man ihn erklommen hat und in alle Richtungen blicken kann, weiß man dass man den höchsten Punkt erreicht hat…
Beitragsübersicht
- Tag 5 – Nero in Kennedy Meadows
ca 8,5km - Tag 6 – Im Wanderflow
22,5 km, ca. 1.000 hm - Tag 7 – Fußprobleme
24 km, ca. 900 h - Tag 8 – Der erste Bergsee: Campen am Chicken Spring Lake.
25,5 km, ca. 550 hm - Tag 9 – Der PCT, der Strand ohne Meer.
26,8km, 700 hm - Tag 10 – Mount Whitney
29 km, 1450 hm - Tag 11 – Forester Pass
23,3 km, 1100 hm - Tag 12 – Hungrig über den Kearsarge Pass
18 km, ca. 700 hm - Tag 13 – Zero in Bishop
17. Juni 2018 – Nero in Kennedy Meadows
PCT Tag 5, Reisetag 34
Kleine Trailkunde: Ein „Zero“ ist ein Tag, an dem man gar nicht wandert. Ein „Nero“ dagegen ist ein Tag, an dem man nur wenig wandert – nearly zero.
Ich will eigentlich ausschlafen (es wurde gestern ja recht spät), wache aber schon um 7 Uhr auf. Schließlich treibt mich die Sonne / Hitze aus dem Zelt und ich warte müde darauf, dass der Store um 9 Uhr öffnet. Ich verbringe den Tag hauptsächlich mit Turbo und JJ (No Nuts hat für Justin einen Trailnamen gefunden: Just Justin, kurz JJ) und wir beschließen, heute Abend zusammen zu campen.
Ansonsten tue ich heute hauptsächlich warten: Warten auf den Store, warten auf die Paketverteilung, warten auf das Taxi zu Grumpy Bear, warten auf das Essen…
Wo ist mein Paket?
Ich habe vor vier Wochen ein Resupply-Paket nach Kennedy Meadows geschickt, doch als ich es abholen will, ist es nicht da: offensichtlich gibt es in der Sierra Nevada auf dem PCT noch ein Kennedy Meadows, das über 400 km weiter nördlich liegt. Und ich habe mein Paket tatsächlich aus Versehen dorthin geschickt. Unglaublich.
Da es in Kennedy Meadows weder Internet noch Handyempfang gibt, kann ich mich um das Weiterschicken meines Päckchens erst in der nächsten Stadt kümmern – also in ca 8 Tagen.
Merke: besser ganz genau Adresse und Standort prüfen, wenn man Päckchen verschickt… 😉
Zum Glück kann man auch in KM Nahrung kaufen, auch wenn das Angebot an Snacks und Studentenfutter sehr dürftig ist. Ich kaufe ein bisschen planlos mein Essen und wähle Wraps mit Peanut Butter fürs Frühstück und Abendessen und Travellunch sowie Tütenfutter fürs Mittagessen. Meine wichtigste neue Errungenschaft sind allerdings Zehensocken, für die Blasen. Ich habe nicht nur einige an der Ferste, sondern auch viele zwischen den Zehen. Neue Schuhe finde ich leider nicht.
Als ich endlich bereit bin aufzubrechen, ist es schon 6 pm. Obwohl ich gefühlt den ganzen Tag in Warteposition war, ist es jetzt doch schnell spät geworden und ich packe hastig alles zusammen, um endlich los zu kommen. Als ich ein Starter-Selfie mache fällt mir auf, dass ich einen krassen Sonnenbrand im Gesicht habe – eincremen vergessen… 🙈
Endlich wieder auf dem Trail
Es ist schön, wieder unterwegs zu sein. Der Trail verläuft meist am Fluß entlang, über sanfte Hügel. Es ist sehr grün, eine willkommene Abwechslung nach den Wochen in der Wüste. Obwohl ich Essen für 8 Tage im Rucksack dabei habe, läuft es sich leicht und angenehm.
Kurz vor der Brücke über den Kern River durchfährt es mich plötzlich: Meine gewaschene Wäsche hängt noch immer an der Wäscheleine in Kennedy Meadows!
Nach einigen Überlegungen und Abwägungen entscheide ich mich dazu, weiter zu laufen: es bleibt nichts essenziell Wichtiges zurück. Nur um mein Lieblings-Tanktop und meine neuen Darn-Tough-Wandersocken ist es wirklich sehr schade, ansonsten muss ich mich eben mit den Dingen arrangieren, die ich jetzt noch dabei habe. Ich bin ziemlich niedergeschlagen, wieso vergesse ich dauernd irgendwelche Sachen?
Doch schon kurz nach der Brücke ruft mich Turbo zu sich, er hat zusammen mit zwei anderen PCTlern einen schönen Platz gefunden. Ich teile mein Leid und er meint sofort, er hätte auch so entschieden. Und da es in KM eine Hiker Box gibt, wird sich bestimmt bald jemand anderes an dem Shirt und vor allem an den neuen Wandersocken freuen. Das tröstet mich ein wenig.
Ich esse einen Wrap mit Peanut Butter (erstaunlich lecker) und falle ins Bett. Das Flussrauschen trägt mich schnell in den Schlaf
Campground Brücke am South Fork Kern River: KM 1.137, 1.934m
Unterwegs: 2h 40min, ca 8,5km, kaum Höhenmeter
(6 – 8:40pm)
18. Juni 2018 – Im Wanderflow
PCT Tag 6, Reisetag 35
Die nächsten Tage komme ich immer mehr in den Wander-Flow. Ich stehe früh auf, da es mittags immer noch irre heiß wird, mache lange Mittagspausen im Schatten und laufe abends so lang es geht.
Turbo, Justin und ich haben ungefähr den gleichen Rhythmus und campen deswegen zusammen, während tagsüber meist jeder für sich läuft. Ich finde das eine sehr befreiende Art miteinander zu wandern, da man so sein eigenes Tempo gehen kann. Außerdem ist es wunderschön, alleine in dieser großartigen Natur zu sein.
Die beiden sind eine super Trailfamily und total witzig. Als Turbo und ich z.B. vom Kern River aufbrechen, begegnen wir nach 10 min JJ, der hier gecampt hat. Turbo fragt, warum JJ ihn gestern ignoriert hat, obwohl er nach ihm gerufen hat. Er hat eine amerikanische Serie zitiert, laut „A Oh River!“ geschrien und gewunken. Er trug seine dicke Mütze und seine Puffy (Daunenjacke). Justin meint, er habe ihn gar nicht erkannt:
I thought you are a random drunk Person. I didn’t want to camp with a crazy drunk stranger who is screaming A Oh River the whole night.
Für Turbo sah es allerdings so aus, als ob Justin ihm einen „Celebrity-Wink“ gibt und einfach weiter läuft. Es ist ziemlich witzig, auch wenn ich die Serie nicht kenne.
Turbo kennt gefühlt alle wichtigen Spots des Trails und empfiehlt uns immer wieder tolle Pausen- und Übernachtungsplätze, wie z.B. die Brücke über den Kern River, an der wirklich jeder pausiert.
Ich habe in Las Vegas auch meinen Wasserfilter zurückgeschickt, was ich mittlerweile ziemlich bereue. Ich habe die Qualität der Wasserquellen auf dem Weg in die Sierras eindeutig überschätzt und mittlerweile plagen mich Darmprobleme… Das ist ja immer ziemlich nervig, aber beim wandern ist es so richtig ätzend. Es ist ja nicht so, als könnte man überall Klopapier nachkaufen 😉 …
Den restlichen Tag geht es anstrengend durch Bergwald bergauf, deswegen bin ich froh, als ich unseren verabredeten Campground erreiche. Wir verbringen den Abend zu dritt am Lagerfeuer.
Campground am Cow Creek: KM 1.159, 2.753m
Unterwegs: 8h 15 min, ca. 22,5 km, ca. 1.000 hm bergauf.
(7:40am – 1:30pm
3:50pm – 6:15pm)
19. Juni 2018 – Fußprobleme
PCT Tag 7, Reisetag 36
Turbo benutzt mich heute das erste Mal als „Pacecar“: Er meint, wenn er alleine läuft verausgabt er sich viel zu schnell, er braucht jemanden mit guter Pace, der vornewegläuft. Mich macht das etwas nervös, da ich manchmal anhalten muss um meinen Socken zu richten oder ähnliches, aber Turbo ist tiefenentspannt. Und er „nutzt“ die Pace auch nur für die Aufstiege: „I don’t need a pacecar downhill“.
Das Stück zwischen KM und Mount Whitney ist landschaftlich zwar durchaus schön, sagt mir aber nicht so sehr zu wie die Wüstenberge oder die High Sierra nach dem Forester Pass. Bisweilen erinnert mich die Landschaft an den Bayerischen Wald, meist hat man nur wenig Ausblicke auf sanfte Berghänge. Die Täler sind lang und breit, Wiesenstücke wechseln sich mit Wäldern ab.
Heute ist auch der Tag, an dem die Moskitos beginnen: In der Pause bei Gomes Meadow setze ich mich an den Fluss und muss mich in meine Puffy und Regenjacke einwickeln, um vor ihnen geschützt zu sein.
Auch mit den Füßen bzw. Blasen habe ich immer größere Probleme. Die Zehensocken sind zwar super Liner unter den normalen Wandersocken, aber für zwei Paar Socken sind meine Schuhe eindeutig zu klein.
Nachdem ich aus lauter Verzweiflung einen halben Tag in meinen Neoprensocken laufe, hat jeder Zeh seine eigene Blase: Im Nachhinein betrachtet keine so gute Idee…
Die Landschaft wird abwechslungsreicher, große weiße Felsbrocken und -türme liegen umher. Bald hat man die ersten Ausblicke ins Owens Valley, das sehr plötzlich das östliche Ende der Sierra Nevada markiert. Die Bergkette auf der anderen Seite gehört zu der Gegend des Death Valleys und hat sichtbar ein völlig anderes (Wüsten)Klima.
Heute Nacht campen wir an der höchsten Stelle des Berges, mit grandioser Aussicht und wunderbarem Sonnenuntergang. Mit uns ist auch Erik hier, alt, nett und mit Rock wandernd.
Ich merke langsam, dass ich zu wenig Essen eingekauft habe: Die Wraps, von denen jeweils zwei fürs Abend- und zwei fürs Frühstück gedacht war, haben ca. 50 Kalorien pro Wrap – natürlich schaue ich erst jetzt auf die Energiewerte. Selbst mit viel Peanut Butter komme ich so nie auf genügend Kalorien, und meine Snacks für zwischendurch sind auch schon fast aufgegessen. Ich habe dauernd Hunger und muss mein Essen streng rationieren.
Campground Bergsattel mit Owens Valley Blick: KM 1183, 3239m
Unterwegs: ca 8h?, 24 km, ca. 900 hm bergauf
(7:50am – 6:30pm, viele Pausen)
20. Juni 2018 – Der erste Bergsee: Campen am Chicken Spring Lake
PCT Tag 8, Reisetag 37
Auf den schönen Sonnenuntergang folgt ein schöner Morgen und schon bald laufe ich los. Hier oben gefällt mir der Trail richtig gut, der weiße Sand, die großen weißen Steine, die Felstürme, der lichte Wald… Einfach schön 🙂
Leider geht mir schon bald das Wasser aus und ich habe ziemlich Durst. Ich habe meine Tage bekommen und so braucht man fürs Waschen immer mehr Wasser als man denkt. Aber immerhin, ich habe keine Bauchkrämpfe 🙂
Bei der Mittagspause bekommen ich vom Adventurer (Asiate, Mitte 40, erzählt vom Trekking in Nepal und Patagonien) Leukotape geschenkt. Man klebt es auf aufgestochene Blasen, was sie entlastet, und das hilft erstaunlich gut.
Fazit: Nie wieder wandern ohne Leukotape.
Den restlichen Tag geht es gut bergauf und ich nutze auch die nächste Quelle für eine lange Pause. Stundenlang laufe ich durch lichte Bergwälder, manchmal hat man schöne Ausblicke auf die umliegenden Berge. Als ich die Abzweigung zum Chicken Spring Lake erreiche, bin ich schon aufgeregt: Mein erster Bergsee! Er ist wirklich sehr schön und auch sehr kalt, trotzdem kann ich einem Bad nicht widerstehen. Ich fühle mich unglaublich erfrischt und gut, wasche meine gesamte Kleidung, baue mein Zelt auf, mache Yoga, esse einen Wrap und falle dann zufrieden in den Schlafsack.
Erik ist auch hier und schenkt JJ ein paar Beutel Oatmeal. Der hat wie ich auch zu wenig Essen eingepackt…
Campground Chicken Spring Lake: KM 1208, 3420m
Unterwegs: 7h 10min, 25,5 km, ca. 550 hm bergauf
(7:30am – 11:30am
2pm – 3:30pm
4pm – 5:40pm)
21. Juni 2018 – Der PCT, der Strand ohne Meer
PCT Tag 9, Reisetag 38
Es ist arschkalt, aber ich quäle mich trotzdem um 6 Uhr aus dem Bett um ein paar Fotos vom See zu machen… So still und idyllisch.
Der Tag beginnt mit einem knackigen Anstieg, doch von oben wird man mit einem tollen Blick auf neblige blaue Berge und den See belohnt. Egal wie anstrengend oder fertig oder frustriert man ist, oben angekommen ist das meist alles vergessen 🙂 .
Der Trail verläuft wie so oft auf Sand. Weißer Sand, wie am Strand. Bloß ohne Meer, aber genauso heiß. Ich frage mich mittlerweile, ob der ganze Südwesten der USA nur aus Sand besteht, nachdem ich nun schon fünf Wochen darin herumlaufe.
Die nächsten anstrengenden Anstiege erfordern wieder einige Pausen, obwohl ich versuche slow & steady zu laufen. Leider klappt nur das slow. Und ich verliere nach dem nächsten Fluss kurz den Trail. Es ist unglaublich, obwohl der Trail so gut ausgebaut ist, verliert man ihn manchmal einfach.
Als mich auf den letzten Kilometern vorm Campground Crabtree Meadows ein müder JJ einholt, drückt er kurz und knapp aus, was ich mir fast jeden Abend denke:
That’s the longest 1.5 Miles ever.
Hier beim „Basecamp“ des Mt Whitney steht ein richtiges Zeltlager. Die meisten campen zwei Nächte bei Crabtree Meadows, um einen Tag für die Besteigung des Mt. Whitney zu haben, für den man immerhin 23 km und 1300 Höhenmetern bewältigen muss. Einige Leute zelten auch beim höher gelegenen Guitar Lake, allerdings darf man das nur mit einem zusätzlichen Whitney Portal Permit.
Leider erzählt uns Turbo heute, dass er morgen durch das Whitney Portal aussteigt. Ich bin sehr traurig darüber, weil das bedeutet, dass ich ihn nicht wieder sehen werde. Er wird mir fehlen.
Campground Crabtree Meadows: KM 1233, 3244m
Unterwegs: ca. 8h 30min, 26,8km, 700 hm bergauf
(7:30am – 12am
2:15pm – 3:20pm
3:40pm – 5:30pm
6pm – ca. 7pm)
22. Juni 2018 – Mount Whitney
PCT Tag 10, Reisetag 39
JJ und ich haben uns um halb 5 verabredet, um den Mount Whitney gemeinsam zu erklimmen. Tatsächlich schaffe ich es auch, um 4 Uhr aufzustehen. Im Dunkeln laufen wir gemeinsam los, bis wir im Morgengrauen den Timberline Lake erreichen.
Der Aufstieg auf den Mt. Whitney ist anstrengend, beeindruckend und völlig anders als der bisherige Weg. Und auch völlig anders als die Berge, die ich so kenne. Manchmal kommt er mir vor wie ein riesiger Schutthaufen mit daraus aufragenden Splittern.
Die Ausblicke nach unten sind total schön und ich genieße es, endlich im Hochgebirge unterwegs zu sein. Der Trail ist auch schön schmal und steinig.
Wir haben den Aufstieg gut geplant und können den Großteil der Strecke im Schatten wandern. Leider wird mir irgendwann richtig Übel, und es wird schlimmer je höher wir kommen. JJ ist total nett und passt sich an meine Geschwindigkeit an, was ich nicht für selbstverständlich halte. Ohne ihn hätte ich wohl nicht bis zum Gipfel durchgehalten.
Das letzte Stück ist besonders hart, alle 100 Meter muss ich stehen bleiben weil mir so schlecht ist und warten, bis es etwas besser ist. Ich denke mittlerweile, ich habe die Höhe nicht vertragen.
Nach sechs Stunden erreiche ich endlich den Gipfel. Ich schleppe mich bis zur Kante und frühstücke meinen Peanutbutterwrap. Dann schicke ich mit dem bisschen Empfang den man hier hat, eine SMS an meinen Freund, esse die letzten Gummibärchen aus Escalante und mache mich wieder an den Abstieg.
Da es mir mittlerweile etwas besser geht, kann ich den Abstieg mehr genießen und die Landschaft bewundern. Kurz vor Ende treffe ich Backtrack wieder, den ich an Tag 2 auf dem PCT kurz kennengelernt habe. Auch Raynow und seine Freunde kommen mir entgegen.
Insgesamt habe ich für den Auf- und Abstieg 10,5 Stunden gebraucht.
Am Zeltplatz lege ich mich hin und döse ein wenig. Nach ca. einer Stunde kommt JJ, wir essen zusammen zu Abend und brechen dann nach einem traurigen Abschied von Turbo auf, um näher an den Forester Pass zu kommen. Zum Glück schenkt er uns noch seine letzten zwei Knorr-Gerichte…
Langsam neigt sich unser Essen dem Ende entgegen. Und die nächste Stadt ist immer noch so weit – wir müssen Strecke machen, obwohl ich am liebsten heute hier geblieben wäre.
Abends laufe ich wirklich fast am liebsten. Das Licht ist einfach so wunderschön. Zwei besondere Momente sind mir immer noch deutlich im Gedächtnis: Die tiefstehende Sonne, die durch den Wald kurz vor der Trail Junction scheint, während wir unter den stillen Bäumen wandern. Und das magische sanfte Licht, das den Berg hinter der feuchten Wiese erleuchtet, während mich hundert Mücken attackieren.
Der Nachteil am abendlichen Laufen ist ganz klar, dass nach dem schönen Abendlicht naturgemäß die Dunkelheit kommt. Leider fällt mir das erst auf, als ich mich mit JJ an einem Campground verabredet habe, der nach einer Furt liegt. Mittlerweile sieht man kaum noch was. Eine Furt mit unbekannter Tiefe und Strömung im Dunkeln, Allein? Ich werde nervös. Außerdem fällt mir wieder ein, dass ich hier ja im Bear & Mountain Lion Country bin, was mich auch nicht unbedingt beruhigt. Ich quere einen kleinen Fluss von Stein zu Stein springend und überlege, wo ich die Nacht verbringen soll.
Da es so schon so dunkel ist, dass ich nichts mehr sehe, krame ich in meinem Rucksack nach der Stirnlampe. Kaum habe ich sie angeschaltet, da ruft JJ nach mir: Er ist keine 40 Meter neben dem Trail und hat schon sein Zelt aufgeschlagen. So ein Glück 🙂 .
Im Zelt mache ich mir etwas Sorgen um Morgen: Ich habe noch für 1,5 Tage Essen, allerdings weiß ich nicht, ob ich es morgen über den Forester Pass schaffe. Es ist noch weit und wer weiß wie es mir morgen geht. Andererseits geht sich die Strecke bis zur Stadt nicht auf 1,5 Tage auf, wenn ich es morgen nicht über den Pass schaffen sollte. Eigentlich habe ich gar keine andere Wahl, als irgendwie drüber zu kommen…
Campground Kurz vor Wallace Creek: KM 1239, 3246m
Unterwegs: ca. 11h,
29 km, 1450 hm bergauf, 1300 hm bergab
(5am – 11am Aufstieg
11:30am – 4pm Abstieg
7:30pm – ? PCT)
23. Juni 2018 – Forester Pass
PCT Tag 11, Reisetag 40
Ich stehe zeitig auf und fange zügig an zusammenzupacken. Denn mittlerweile lauert ein neuer Schrecken im Morgengrauen: Mücken! Sie kommen in Scharen, sobald die ersten Sonnenstrahlen die Luft erwärmen.
Die Furt, vor der ich gestern Abend etwas Schiss hatte, ist problemlos über Steine mit trockenen Füßen zu durchqueren: Dieses Jahr ist wohl ein trockenes Jahr.
Etwas Neues sind ab heute auch die entgegenkommenden John Muir Trail Hiker, die auf das Ende ihrer Wanderung zugehen: Der JMT endet am Mount Whitney. Man erkennt sie irgendwie sofort, da sie anders aussehen als die PCTler: größere Rucksäcke, sauberere Kleidung, hellere Haut.
Zum Glück geht es mir heute viel besser als gestern und ich bin wirklich erleichtert. Die Landschaft wird immer schöner, die Sicht weiter, die Berge höher. Bald blicke ich zurück zum Mount Whitney und bin überrascht, wie fern er aussieht. Vor nicht mal 24 Stunden stand ich da oben auf dem Gipfel, und jetzt ist er so ein kleiner Berg in der Ferne…
Nach dem Bighorn Plateau geht es wieder bergab in den Wald – ich mag gar nicht weiterlaufen. Ich will endlich Fels und freie Fläche! So wie hier oben. Ich sauge die Aussicht nochmal in mich ein und laufe weiter.
Der anschließende Aufstieg zum Forester Pass – immerhin der höchste Pass auf dem ganzen PCT – ist erstaunlich human und sanft. Ich bin überrascht, wie leicht es nur bergauf geht, außerdem gibt es überall Wasser und kleine Bäche. Ich höre Stöcke hinter mir und denke, das klingt wie JJ. Und tatsächlich holt er mich mal wieder ein und da wir beide fast am verhungern sind, machen wir gleich zusammen Mittagspause.
Doch auch der letzte Anstieg ist zwar steil und anstrengend, aber mega gut ausgebaut und daher leicht zu gehen. Serpentine folgt auf Serpentine und bald sind wir im letzten beeindruckenden Steilstück. Man hat einen mega Ausblick auf die Bergseen hier oben und ich bin im 7. Himmel, es ist so wunderschön. Heute geht es mir wirklich großartig, ich bin voller Energie und das Laufen macht richtig viel Spaß.
Auf der anderen, nördlichen Seite liegt beachtlich viel Schnee. Wir lachen beide über Turbos überzeugte Aussage, die er vor ein paar Tage bezüglich unserer Sorgen über Postholing gemacht hat:
„Postholing? What Postholing? There won’t be any snow!“
Tatsächlich war es vor ein paar Tagen noch schwer vorstellbar, dass hier irgendwo noch Schnee liegt. Aber das tut er. Reichlich.
Kleine Trailkunde: Postholing ist der englische Ausdruck für das Einsinken in weichen, tiefen Schnee, den die Sonne aufgewärmt hat. Die meisten PCTler machen die Pässe daher ganz früh am morgen, da der Schnee noch gefroren ist und man so mit Microspikes an den Schuhen gut darauf laufen kann.
Wir haben auch tatsächlich Probleme damit und sinken teilweise bis zur Hüfte in den Schnee ein. Der Trail ist natürlich nicht erkennbar und so landet man immer wieder überraschend mitten in den großen scharfen Felsen. JJ bleibt einmal richtig stecken, bekommt ein bisschen Panik und schürft sich beim hastigen Befreien des Beins das Schienbein auf.
Irgendwann trauen wir uns, auf dem Po „abzufahren“ und so geht der Abstieg über das Schneefeld dann erfreulich schnell und einfach 🙂 .
Auf dem Weg ins Tal kommen wir an einigen sehr schönen Seen vorbei. Wir entdecken viele schöne Zeltplätze, doch unsere leeren Rucksäcke mahnen zur Eile:
„If I wasn’t running out of Food I would stay here“
Wir laufen noch recht lang, bis JJ meint dass er nicht mehr kann. Ich könnte heute noch ewig weiter laufen, aber natürlich lasse ich ihn nicht allein zurück und wir bauen unser Lager am Bubbs Creek auf. Ich sage nur: Mückenseuche!
Campground Bubbs Creek: KM 1262, 3197m
Unterwegs: ca. 9:30h,
23,3 km, 1100 hm bergauf, 1100 hm runter
(8am – 12:45
2:15 – ca. 7:30
inkl. Riegelpausen)
24. Juni 2018 – Hungrig über den Kearsarge Pass
PCT Tag 12, Reisetag 41
Die Mückenseuche von gestern noch im Kopf, breche ich so schnell wie möglich auf. Zum Frühstück gibt es die letzten zwei Wraps mit der letzten Peanut Butter, was gerade mal 1,5 Stunden her hält.
Diese Seite des Forester Passes ist irgendwie eine andere Welt. Der Wald ist grün und saftig, man sieht kaum die riesigen Sequoia-Bäume, auf dem Trail finden sich Schlamm und Wurzeln. Immer wieder verschwindet er auch unter großen Pfützen. Insgesamt gibt es einfach viel mehr Wasser.
Kurz nach der Abzweigung zum Kearsarge Pass machen wir Mittagspause und essen unser letztes Essen: Die Knorr-Gerichte von Turbo. Er hat uns echt gerettet.
Auf dem Pass treffen wir einige alte Bekannte aus Kennedy Meadows. Es ist immer wieder schön, die Leute wiederzusehen. Leider ist das immer nur ein paar Tage der Fall, weil die PCT Leute einfach viel schneller und länger laufen.
Hungriger Abstieg
Der Abstieg wird eine psychische Prüfung: Wir kippen beide vor Hunger fast aus den Latschen. Vor allem JJ ist am Ende und ich versuche ihn immer wieder zu motivieren. Ca. ab der Hälfte des Abstiegs sieht man den Parkplatz in der Ferne, was wirklich kontraproduktiv ist, da er stundenlang nicht näher kommt. Mir tun meine Beine ziemlich weh, vor allem mein linker Oberschenkel, aber eine Pause kommt nicht in Frage. Wir erzählen uns gegenseitig von Essen und irgendwie schaffen wir es endlich, am Ende anzukommen.
Auf dem Parkplatz haben wir unendliches Glück: Wir treffen sofort auf einen Trailangel, der seit seiner Rente sich die Zeit damit vertreibt, PCT Hiker nach Independence und Bishop zu fahren. Und noch dazu hat er einen Kuchen in seinem Auto!!! Wir fallen wie hungrige Löwen darüber her und müssen uns zurück halten, nicht alles aufzuessen… 😉 . Er zeigt uns auch sein Büchlein, in das jeder, den er mitnimmt, seinen (Trail)Namen hineinschreibt. Total schön, ich blättere ein wenig darin und entdecke ein paar bekannte Namen.
Er fährt uns sogar bis ins 80 km entfernte Bishop (wir geben ihm natürlich Geld dafür, auch wenn er nicht darum bittet) und lässt uns da auf JJ’s Wunsch bei McDonalds raus. Mir ist in dem Moment eigentlich alles egal 🙂 .
In Bishop angekommen
Leider habe ich keine Fotos von der Stadt gemacht. Wir teilen uns ein Hotelzimmer, da hier alles unglaublich teuer ist und gehen dann erst mal in die Tankstelle gegenüber, wo ich meinen unglaublichen Hunger nach sauren Gummibärchen stille. Abends gehen wir essen und ich kaufe mir endlich meinen großen Salat, von dem ich seit Tagen träume.
Ausstieg im Onion Valley
Unterwegs: ca. 8h,
18 km, ca. 700 hm bergauf, 1.100 hm runter
(7:40am – 10:30am
11:45am – 1:45pm Pass
1:45pm – 4:15pm geschätzt)
25. Juni 2018 – Zero in Bishop
PCT Tag 13, Reisetag 42
Bishop ist eine kleine süße Stadt am Fuße der Sierra Nevada und hat erstaunlich viele Outdoor- und Bergsport-Geschäfte. Es ist geradezu perfekt für einen Resupply geeignet. Es gibt auch ein Hostel, in dem die meisten PCTler übernachten, das einen Fahrradverleih anbietet.
Der Zero in Bishop vergeht rasend schnell. Wir schlafen beide bis ca. 8 Uhr aus (haha) und bummeln dann durch die Stadt. Ich finde endlich neue Schuhe (riesige Lone Peak Altras, die mir von sehr vielen PCTlern empfohlen wurden und seltsamerweise auch super passen – Ich bin echt schwierig bei Schuhen), kaufe neue Socken und ein zweites Paar Zehensocken, viele Travel Lunches und noch viele saure Gummibärchen. Ich esse eigentlich nie Gummibärchen, aber jetzt bin ich geradezu süchtig nach der sauren Variante.
Der restliche Tag ist mit meinem Freund telefonieren, Wäsche waschen, Essen einkaufen und Essen gehen dann auch ziemlich gut gefüllt.
Den hungrigen letzten Tag habe ich noch deutlich im Gedächtnis und so kaufe ich Unmengen an Essen ein. Dadurch verbringe ich den Abend mit umfüllen, packen und quetschen, aber es passt beim besten Willen nicht alles in meinen Bear Canister. Mein ganzer Rucksack ist übervoll mit Essen. Mir graut ein bisschen davor, das morgen wieder auf den Kearsarge Pass zu schleppen, aber ich habe jetzt lieber zu viel als zu wenig Essen dabei… 😉
Gespannt gehe ich schließlich viel zu spät ins Bett. Morgen geht es früh weiter, der Bus wird mich wieder zurück zum Trail bringen. Dann geht es in die High Sierra, das Herzstück des PCT und des JMT. Hohe Pässe, schöne Seen und viele Mücken warten auf mich.
Die Menschen auf dem PCT
Mit diesem Abschnitt des Treks verknüpfe ich jetzt, fast ein Jahr später, vor allem die langen Waldpassagen im Kontrast zu den tollen Campgrounds, den ständigen Hunger und die vielen schönen Begegnungen und Gespräche. Meine Mittagspausen verbrachte ich stets an Flüssen, wo man immer andere Wanderer traf. So gut wie jeder war an einem Gespräch interessiert, offen und neugierig.
So wie der Wanderer, der Turbos erstes Pacecar wird, mit dem ich über Atomkraft, Umweltschützer und Kalifornien rede. Ciara, die man wie „Sierra“ ausspricht und die deswegen keinen Trailnamen braucht, und ihr netter weißbärtiger Wanderpartner. Ben und seine Freundin aus Österreich, die ich vom Kern River bis zum Mt Whitney öfter treffe und die ein ziemlich cooles Zelt haben. PCT Hiker Felix mit seiner Freundin, die wie ich am Walker Pass eingestiegen ist und jetzt mit ihm 30 km Tage runterrockt. Gotham, der Amerikaner mit indischen Wurzeln, der mich vor der Vogelkacke am Kern River warnt und den ich in VVR wieder treffe. Thor aus Finnland, der mein Tempo läuft aber trotzdem jeden Tag 10 km länger geht. Der etwas ältere Wochenendwanderer, der schwer bepackt mit seinem Bruder wandert und so oft es geht hier trekkt. Ran aus Israel, der den PCT so schnell wie möglich läuft, um Zeit für „Ausflüge“ zu haben: Er hat z.B. den Grand Canyon besucht und ist zum Bright Angel Campground gewandert. Er erzählt mir begeistert vom Israelian Trail und in mir steigen schon neue Trekkingträume auf. Außerdem filtert er mir Wasser und zeigt mir alle Vorteile seines Katadyn-Wasserfilters. Der Österreicher (oder Schweizer?), der mir Tipps für neue Schuhe gibt und auf einer Kuppe so malerisch in der Landschaft steht, dass ich ihn für einen gut platzierten Baum halte. Avatar, das lässige Mädl, das ich gern näher kennen gelernt hätte. Erik, der graubärtige entspannte ältere Wanderer. The Adventurer, der mir lange von seinen Treks in der Welt erzählt, vor allem von dem zum See beim K2, als er allein mit einer Horde Trägern, Guides und Köchen eine Tour gegangen ist. Seine schweigsame Wanderpartnerin Svetlana. Die beiden treffe ich an einem Tag bestimmt fünf Mal. Der nette Kanadier vom Chicken Spring Lake. Der asiatisch-amerikanische PCTler, der in 10 Tagen von Kennedy Meadows bis Mammoth Lakes laufen will und fast seine gesamte Ausrüstung voraus geschickt hat, um seinen Rucksack voll Essen packen zu können. Ich gebe ihm etwas Papier, damit er am Mt Whitney seiner Trail Family eine Nachricht schreiben zu kann. Raynow, Aragorn, Sam und Backtrack, die ich schon an den ersten Tagen auf dem PCT getroffen habe. Mouse, mit der ich leider nur ein paar Sätze gewechselt habe.
Für mich haben diese Begegnungen den PCT auf jeden Fall bereichert und spannender gemacht.
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